Zoophile gegen Vorurteile

Unterstützen Sie nicht die Aktion "Tierärzte gegen Zoophilie und Sodomie"

"Die gesellschaftliche Grundstimmung richtet sich heute nicht mehr nur gegen den sexuellen Missbrauch, sondern auch gegen die Sexualität selber", so Ingrid Hülsmann, Mitarbeiterin des Zürcher Instituts für klinische Sexologie und Sexualtherapie. Wie recht sie damit hat, das illustriert nicht nur Mathias Nincks betroffen machender Artikel "Die nackte Wahrheit" in der Ausgabe 09/2012 von "Das Magazin", dem dieses Zitat entnommen ist. Auch Zoophile werden vermehrt zur Zielscheibe für den selbstgerechten Zorn der vermeintlichen moralischen Mehrheit.

Neuestes Beispiel ist die von Dr. Nicola Siemers initiierte Petition "Tierärzte gegen Zoophilie und Sodomie". "Zoophilie bezeichnet das sexuelle Hingezogensein zu Tieren. Zoophilie kann sexuelle Handlungen beinhalten, aber auch Vorlieben, die nur sekundär, manchmal gar unbewusst der sexuellen Befriedigung des Menschen dienen", schreibt Wikipedia. "Das Thema des sexuellen Missbrauchs an Tieren - genannt Sodomie bzw. Zoophilie - ist in unserer heutigen Gesellschaft immer noch ein großes Tabu-Thema - und... es ist nicht strafbar!!!", schreibt Dr. Siemers.

Auch wenn ein Dackel ein Hund ist - nicht jeder Hund ist ein Dackel

Mal abgesehen davon, dass die Strafwürdigkeit bestimmter Handlungen sich in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht daran bemessen kann, ob gerade eines der herrschenden "Tabus" verletzt wird, oder nicht - so belegt Dr. Siemers' Einstieg in die Thematik doch eindrücklich die eingangs genannte These: "Die gesellschaftliche Grundstimmung richtet sich heute nicht mehr nur gegen den sexuellen Missbrauch, sondern auch gegen die Sexualität selber". Damit keine Missverständnisse aufkommen: Es gibt tatsächlich Menschen, die Tiere vergewaltigen. Auch das kann Teil dessen sein, was es heißt, "sexuell hingezogen zu Tieren zu sein" und auch zutreffenderweise als Missbrauch bezeichnet werden. Indem sie allerdings jede Art der auch willentlichen, gewaltfreien sexuellen Interaktion zwischen Menschen und biologisch erwachsenen Tieren kurzerhand zum "sexuellen Missbrauch" erklärt, macht sie den Unterschied zwischen persönlichem Werturteil und tatsächlichem Missbrauch obsolet: Sie erklärt jeden Hund zum Dackel.

Ausdruck einer ideologischen Haltung, deren politische Implikationen inakzeptabel sind

Dass es sich dabei tatsächlich nur um ein persönliches und ideologisch motiviertes Werturteil handelt - zumal um ein falsches -, belegen eine Reihe von Arbeiten der empirischen Psychologie. In einer aktuellen Studie etwa wird der Anteil derjenigen Zoophilen, die schon einmal Gewalt gegen Tiere im engeren Sinne ausgeübt haben, auf einen niedrigen, einstelligen Prozentbereich taxiert (Marion Nasswetter: "Eine klinisch-psychologische online Studie über Zoophilie"). Des Weiteren findet aktives, vaginales Penetrieren von Tieren im Durschschnitt nicht häufiger statt als Masturbation oder oral-genitale Kontakte. Verbreitet ist darüber hinaus auch passives, anales oder vaginales Penetieren mit Tieren in der aktiven Rolle. Aktiver Analverkehr durch Menschen findet dagegen eher selten statt.

Dass Frau Dr. Siemers oder andere hiervon angewidert sind, egal um was genau es sich nun handelt, ist nachvollziehbar. Allein: Geht es um die Gesetzgebung auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, ist Ekel ein schlechter Ratgeber. Nachlesen kann man das beispielsweise bei Martha Nussbaum ("From Disgust to Humanity"), ihres Zeichens Philosophin und Professorin für Rechtswissenschaften und Ethik an der University of Chicago.

Nicht nachvollziehbar indes ist, mit welcher logischen Argumentationskette man aus den beschriebenen Arten der gewaltfreien, sexuellen Interaktionen zwischen Menschen und Tieren die von Dr. Siemers behaupteten, "starke[n] körperliche[n] und seelische Verletzungen" herleiten will. Nota bene: Es handelt sich nicht um Wildtiere, sondern um in jahrtausendelangen Zuchtverfahren an den Menschen gewöhnte bzw. domestizierte Tiere. Insofern gibt es auch keinen vernünftigen Grund, anzunehmen, dass diese den sexuellen Kontakt zu Menschen grundsätzlich abstoßender finden sollten, als andere Formen des Umgangs mit ihnen (so auch der Philosoph und Tierrechtler Peter Singer in seinem Aufsatz “Heavy Petting“) - egal ob das nun mit Dr. Siemers' ideologischen Haltung zusammenpasst, oder nicht.

Schreibe nichts der Böswilligkeit zu, was durch Dummheit hinreichend erklärbar ist.

Je mehr sie allerdings betont, dass “die Tiere starke körperliche und seelische Verletzungen davon[tragen] und diese Taten oft nicht [überleben]“, desto, schwächer wird auch ihr Argument für ein Verbot aller zoosexueller Handlungen. Denn laut §17 TSchG wird jetzt schon “mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Wirbeltier ohne vernüftigen Grund tötet oder aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt". Insofern ist die Verbotsforderung entweder überflüssig, weil sie etwas schon verbotenes ein zweites Mal verbietet. Oder sie entlarvt sich als das, was sie ist: Ausdruck eines wieder grassierenden, überängstlichen Sexualpuritanismus.

Zuletzt bleibt auch schleierhaft, wie mit einer pauschalen Pönalisierung sexueller Mensch-Tier-Kontakte den tatsächlichen Fällen von Gewaltanwendung gegen Tiere besser begegnet werden können soll. In der Praxis werden Menschen auch mit einem Verbot nicht aufhören, Sexualkontakte mit Tieren zu haben. Sie werden aber schlechter aufgeklärt und weniger sozialer Kontrolle ausgesetzt sein. Aufhören werden sie allenfalls damit - etwa aus Furcht vor rechtlichen Konsequenzen - auch bei unintendierten Verletzungen einen Arzt bzw. einen Tierarzt aufzusuchen.

Kommentare zuden einzelnen Punkten der Petition folgen in Kürze